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"Der Vergleich ist der Dieb der Freude" - oder: Wie du dich gerade selbst unglücklich machst

Sich mit anderen zu vergleichen, ist vollkommen normal und natürlich. Oft macht uns dieser Vergleich jedoch unglücklich. Zum Glück gibt es Möglichkeiten, das zu ändern.

Sich mit anderen zu vergleichen, ist gar nicht ungewöhnlich, sondern ziemlich normal. Allerdings neigen wir leider dazu, uns in einer für uns ungünstigen Weise zu vergleichen, was nicht gerade dazu beiträgt, dass wir uns besser fühlen. Die Tatsache, dass es normal ist, sich auf "entwertende" Vergleiche einzulassen, bedeutet aber nicht, dass du es weiterhin tun musst. Stattdessen gibt es diverse Tricks, wie du die negativen Auswirkungen von Vergleichen auf dein Selbstwertgefühl und deine Zufriedenheit abmildern oder sogar umkehren kannst. In diesem Beitrag berichte ich dir zunächst von meinen eigenen Erfahrungen mit dem Vergleichen und was die Wissenschaft dazu sagt. Im zweiten Teil des Artikels, teile ich mit dir, wie ich die Vergleiche und ihren negative Effekt für mich einschränken konnte.


Der Titel dieses Artikels ist ein Zitat, das Theodore Roosevelt, dem US-Präsidenten des frühen 20. Jahrhunderts, zugeschrieben wird. Als ich es erstmals las, fand ich, es trifft den Nagel auf den Kopf. Kurz und knackig erfasst es, wie sich soziale Vergleiche negativ auf uns auswirken. Insbesondere im Zeitalter der sozialen Medien und der damit allgegenwärtigen, sorgfältig kuratierten Selbstdarstellung lohnt es sich, sich diese Thematik genauer anzusehen.


Vergleiche sind etwas ganz Alltägliches. Genauso wie das mich mit mir selbst nicht gut Fühlen. Wann immer ich die Sozialen Medien öffne, kommt mir ein Teil meiner Freude abhanden.

Was zunächst mein Interesse für das Thema sozialer Vergleich weckte, war meine eigene Erfahrung. Wenn ich die Selbstdarstellung meiner AtemarbeitskollegInnen in den sozialen Medien sah, geriet ich regelmäßig in eine Abwärtsspirale des Vergleichs. Jedes Mal, wenn ich auf Facebook oder Instagram sah, was andere BreathworkerInnen so machten, verspürte ich einen Anflug von Neid und Ärger in meinem Bauch. "Sieh dir diese und jene an! Sie macht ein Wochenend-Retreat." "Und so und so, die mit mir die Ausbildung gemacht hat, bietet einen vierwöchigen Kurs an und auch diese andere schicke Veranstaltung." "Und Breathworker Y hat schon Tausende von Menschen begleitet, obwohl er noch nicht einmal eine Ausbildung darin gemacht hat." "Und wow, schau dir X an, wie schafft sie es, all diese coole Arbeit zu machen und gleichzeitig superschlank und attraktiv zu sein und immer Zeit mit Surfen und Reisen und Partys an all diesen tollen Orten zu verbringen?!" Und erwartbar fuhr der Zug von hier aus weiter in Richtung Selbstkritik: "Warum habe ich nicht so viele TeilnehmerInnen in meinen Events? Warum habe ich nicht schon einen Kurs am Laufen? Warum habe ich noch keinen Retreat veranstaltet? Warum habe ich nicht so viel Spaß? Und warum sehe ich nicht so gut aus?!" Du merkst, die Möglichkeiten für selbstentwertende Vergleiche sind schier endlos...


So traurig dieses Verhalten und diese Kette von Gedanken und Gefühlen auch ist, es hat mich auch neugierig gemacht. Also habe ich mich auf eine kleine Reise begeben, um mein eigenes Vergleichsverhalten zu erkunden und gleichzeitig zu verstehen, was daran universell sein könnte. Dieser Text ist das Ergebnis. Ich bleibe zunächst bei meinem konkreten Beispiel um für euch zu illustrieren wie das so läuft mit dem Vergleichen.


Was weiß ich eigentlich über diese Menschen, mit denen ich mich auf unvorteilhafte Weise vergleiche?

Ein erster Schritt meiner Erkundung bestand darin, mich mit einem ruhigen Herzen und einem analytischen Verstand hinzusetzen und die Fakten zu betrachten. Ich fragte mich: Was weiß ich eigentlich über diese Menschen, mit denen ich mich auf unvorteilhafte Weise vergleiche? Sehr wenig, wie sich herausstellte.


So realisierte ich beispielsweise: Ich weiß in den meisten Fällen gar nicht, wie viele Leute zu den beworbenen Veranstaltungen tatsächlich erschienen sind. Ich sehe die Werbung und schließe von der auf die vermeintliche Realität. In den wenigen Fällen, in denen ich konkret weiß, wie die Veranstaltungen von FreundInnen und KollegInnen ausgefallen sind, sehen meine eigenen Ergebnisse gar nicht mehr so schlecht aus. Ich hatte die irrige Vorstellung, dass die Veranstaltungen aller anderen BreathworkerInnen immer bis auf den letzten Platz gefüllt waren, während ich selbst manchmal nur sehr kleine Gruppen begleitete. Aber in Wirklichkeit habe ich mit eigenen Augen gesehen und gehört, dass auch viele meiner KollegInnen manchmal (z. B. in der Sommerzeit) mit einer geringen Teilnehmerzahl zu kämpfen haben. Dies schien vor allem in den ersten Jahren nach ihrem Start der Fall zu sein. Mein Vergleich basierte also auf uninformierten Fehlannahmen, Luftschlösser sozusagen, oder Mindfuck.


Ich musste auch feststellen, dass ich nichts über den Fokus und die faktischen Tätigkeiten meiner KollegInnen wusste. Einmal erfuhr ich, dass jemand, auf dessen Online-Veranstaltungen ich neidisch blicke, überhaupt nicht mit EinzelkundInnen arbeitet, während dies bei mir einen großen Teil meiner Zeit und Energie in Anspruch nimmt und ein Hauptschwerpunkt meiner Arbeit und meiner Zusatzausbildung ist. Diese Beispiele verdeutlichen mir, dass es einen großen Unterschied gibt zwischen der Art und Weise, wie ich den Vergleich in meinem eigenen Kopf konstruiere, und der Realität der anderen Menschen. Dies galt insbesondere, solange meine "Informationsquelle" die sozialen Medien waren. Die Wolken negativer Vergleiche verzogen sich, als ich anfing, tatsächlich mit Menschen zu sprechen und ihre realen Erfahrungen ebenso zu berücksichtigen wie meine eigenen.


Wir vergleichen uns mit den Spitzenreitern eines Fachgebiets. Nicht mit der Frau, die im Labor nebenan arbeitet, sondern mit Marie Curie.

Bei der Untersuchung meines Vergleichsverhaltens wurde mir auch klar: Ich neige dazu, bei meinen Vergleichen den Kontext zu ignorieren. Auch dies ist ein häufiges Merkmal des negativen Vergleichs. Anstatt zu bedenken, dass jede ihren eigenen Weg geht, mit einem anderen Ausgangspunkt, einem anderen Tempo, anderen Herausforderungen, ging ich davon aus, dass wir alle das gleiche Rennen mit den gleichen Chancen laufen würden. (Ein neoliberaler Mythos, oder?). In meinem Selbstvergleich auf dem Gebiet der Atemarbeit hatte ich z.B. nicht berücksichtigt, dass einige meiner Mitauszubildenden bereits jahrelang als YogalehrerInnen, Coaches, Bodyworker oder TherapeutInnen gearbeitet hatten, bereits über ein Netzwerk von KlientInnen und Erfahrung in der Selbstvermarktung verfügten. Außerdem waren viele von ihnen bereits Teil von Netzwerken und Milieus, die sich für alternative Gesundheits- und Wellness-Praktiken interessieren, d. h. sie hatten schon lange vorher ihre “Gruppe" gefunden. Ich hingegen hatte hauptsächlich Netzwerke in der akademischen Welt, einer - wenn es um Atemarbeit, Schamanismus und sogar Therapie geht - manchmal recht engstirnigen Gemeinschaft (nichts für ungut, fellow academics :D).


Mein Vergleich hatte einige entscheidende Schwachstellen: Ich verglich auf Grundlage weniger oder irreführender Informationen. Ich verglich selektiv, betonte Fakten und Ereignisse, die mich schlecht aussehen ließen über, und ignorierte Fälle, in denen ein Vergleich zu meinen Gunsten ausgefallen wäre. Außerdem erwartete ich, dass ich aus einer Gruppe als Sieger hervorgehen würde, unabhängig davon, wann und wo ich angefangen hatte. Es stellte sich heraus, dass auch dies typisch für den Vergleich ist, der uns unglücklich macht: Wir neigen dazu, uns mit den Spitzenläufern eines Feldes zu vergleichen. Nicht mit der Frau, die im Labor nebenan arbeitet, sondern mit Marie Curie.


Kommt dir das irgendwie bekannt vor? Wenn ich der Wissenschaft glaube, dann machst du mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit dasselbe. Denn seltsamerweise scheint all dies ein ziemlich normales Verhalten zu sein - zumindest bei Menschen. Als ich anfing, mich mit der Forschung über Vergleiche zu beschäftigen, stellte ich fest, dass ich definitiv nicht allein bin.

Die Forschung über Vergleiche zeichnet ein recht interessantes Bild


Es stellt sich heraus: Menschen vergleichen sich ständig. Angeblich hat die Forschung herausgefunden, dass "10 Prozent unserer Gedanken in irgendeiner Form mit Vergleichen zu tun haben" (Psychology Today). 10 Prozent ?!?! In der Psychologie hat sich ein ganzer Theorie- und Forschungszweig um das Thema "sozialer Vergleich" entwickelt. Wie fast alles, was wir tun, war auch der Vergleich irgendwann einmal adaptiv und hatte eine Überlebensfunktion (Morina 2021; Carter 2022). Der Vergleich hat wichtige Funktionen für und Auswirkungen auf unser Selbstkonzept. Auf der guten Seite kann der Vergleich dazu dienen, sich zu motivieren und Situationen richtig einzuschätzen. Auf der anderen Seite kann er, wie wir bereits gesehen haben, das Selbstwertgefühl und die Zufriedenheit mindern.

Die psychologische Forschung zeigt, dass wir dazu neigen, eher nach oben als nach unten zu vergleichen (siehe Davidai & Deri 2019 für einen Überblick). Insbesondere neigen wir dazu, uns mit den Menschen zu vergleichen, die wir in einem bestimmten Bereich für die Besten halten. Diese Art des verzerrten Vergleichs führt - wer hätte es gedacht - dazu, dass wir uns schlecht fühlen. Um es mit den Worten von Gerber et al. (2018) zu sagen: Wenn man sich mit Aufwärtsvergleichen beschäftigt, ist das "wahrscheinlichste Ergebnis ein selbstentwertender Kontrast". Die Forschung hat diesen selbstdeflationären Effekt in vielen verschiedenen Vergleichsbereichen gezeigt (vgl. Davidai & Deri (2019: S.583) und ich wette, du kennst ihn aus deinem eigenen Leben. Die Tatsache, dass wir uns mit Menschen vergleichen, die in dem jeweiligen Bereich (scheinbar) außerordentlich gut abschneiden, mag zwar nicht erbaulich sein, ist aber zumindest normal. Wie du vielleicht aus eigener Erfahrung weisst, ist weder das Vergleichen noch das Sich-Entwerten und dann Schlecht-Fühlen beabsichtigt. Zumindest in dieser Hinsicht sind wir nicht masochistisch unterwegs.

Sich mit sich selbst zu vergleichen, ist - bis jetzt - kein bewusster Akt.

Wir vergleichen uns nicht absichtlich mit den Besten, sondern es geschieht automatisch (Davidai & Deri 2019). Die Top Performer kommen uns schlicht am ehesten in den Sinn, wenn wir an Selbsteinschätzung denken. Was uns antreibt, ist also kein unbewusstes Bedürfnis, uns selbst schlecht zu machen, sondern nur, dass Menschen, die herausragende Leistungen erbringen, geistig am leichtesten verfügbar sind (sie sind "salienter", um einen Begriff aus der kognitiven Psychologie zu verwenden).

Niemand, nicht einmal die Reichen und Berühmten, scheint davon verschont zu bleiben: Davidai und Deri weisen darauf hin, dass selbst Menschen, die in der Öffentlichkeit bereits "ganz oben" stehen, sich gerne mit Menschen, die sie für noch besser halten, negativ vergleichen. "Selbst die kompetentesten Menschen können aufgrund der hohen Messlatte, die sie für sich selbst setzen, dazu kommen, sich als Versager oder 'Hochstapler' zu betrachten" (Davidai und Deri, 2019). Es scheint also, dass das Imposter-Syndrom, so lähmend es auch sein mag, zumindest egalitär ist.


Soziale Medien erleichtern den abwertenden Vergleich und bestätigen unsere Vorurteile


Eine der Auswirkungen der sozialen Medien könnte sein, dass wir mehr Beispiele für hervorragende Leistungen haben, mit denen wir uns vergleichen können. Außerdem präsentieren die Menschen in den sozialen Medien eine sorgfältig kuratierte Version ihrer selbst und ihres Lebens; wir bekommen oft also nur hervorragende Leistungen zu sehen. Dies deckt sich mit einer weiteren Voreingenommenheit, die wir haben: Wir neigen dazu, das Glück anderer zu überschätzen und ihre negativen Gefühle zu unterschätzen (Jordan et al. 2011, Brooks 2020). Auch wenn die Gesamtwirkung der sozialen Medien auf Glück und Wohlbefinden natürlich komplex ist, gibt es Hinweise darauf, dass die sozialen Medien die negativen Auswirkungen des Vergleichens verstärken. Um zwei Beispiele zu nennen: Untersuchungen zeigen, dass soziale Medien die Frustration im Beruf erhöhen - während ein lockeres Gespräch mit echten Menschen diese verringert! (Fukubayashi & Fuji 2021). Catharin et al. (2000) fanden heraus, dass Frauen, die in den Medien Bilder von Körpern sehen, die den heutigen Schönheitsstandards entsprechen, einen negativen Effekt auf ihr eigenes Körperbild erleben. Wie ergeht es dir wenn du sozialen Medien benutzt? Fühlst du dich bestärkt und aufgebaut?

Insgesamt scheint klar, dass Vergleiche sich negativ auf unser Selbstbild und unser Wohlbefinden auswirken .... aber was können wir mit all dieser Erkenntnis anfangen? Gibt es etwas, was wir in unserem eigenen Leben praktisch tun können, um die negativen Auswirkungen des Vergleichens zu verringern?


Die gute Nachricht ist: Die Tatsache, dass es automatisch geschieht, bedeutet nicht, dass du es nicht ändern kannst.

Der soziale Vergleich ist ein kognitiver Vorgang, auf den wir uns einlassen. Und deshalb können wir uns - einfach ausgedrückt - auch dafür entscheiden, ihn nicht zu machen (Fujita 2008: 241). Es gibt eine Reihe von Möglichkeiten, wie du dir diesen Prozess erleichtern kannst. In Teil II dieses Beitrags stelle ich sechs konkrete Schritte vor.



Quellen:


Brooks Arthur (2020) “Thief of Joy”, https://www.youtube.com/watch?v=K9D64pEkQHc


Carter, Kristen A. (2022) Are Your Goals Making You Miserable? Our health and fitness goals often involve comparing ourselves to others.


Cattarin, Jill A.; Thompson, Joel K.; Thomas, Carmen M.; and Williams, Robyn, "Body Image, Mood, and Televised Images of Attractiveness: The Role of Social Comparison" (2000). Psychology Faculty Publications. 2156. https://digitalcommons.usf.edu/psy_facpub/2156


Davidai, S., & Deri, S. (2019). The second pugilist’s plight: Why people believe they are above average but are not especially happy about it. Journal of Experimental Psychology: General, 148(3), 570–587. https://doi.org/10.1037/xge0000580

Duckworth, Angela (2022) Comapring Me to Me, in Psychology Today, https://www.psychologytoday.com/us/blog/actionable-advice-help-kids-thrive/202205/comparing-me-me


Gerber, J. P., Wheeler, L., & Suls, J. (2018). A social comparison theory meta-analysis 60+ years on. Psychological Bulletin, 144(2), 177–197. https://doi.org/10.1037/bul0000127


Jordan, A. H.; Monin, B.; Dweck, C. S.; Lovett, B. J.; John, O. P.; Gross, J. J. (2011). Misery Has More Company Than People Think: Underestimating the Prevalence of Others' Negative Emotions. Personality and Social Psychology Bulletin, 37(1), 120–135.doi:10.1177/0146167210390822


Macmillan, Amanda. 2017. Why Instagram Is the Worst Social Media for Mental Health

https://time.com/4793331/instagram-social-media-mental-health/

Psychology Today, (n.a.), Social Comparison Theory, in Pscyhology Today, https://www.psychologytoday.com/us/basics/social-comparison-theory#the-dangers-of-comparison


Morina N. Comparisons Inform Me Who I Am: A General Comparative-Processing Model of Self-Perception. Perspectives on Psychological Science. 2021;16(6):1281-1299. doi:10.1177/1745691620966788


Scott, Elizabeth (2020) The Stress of Social Comparison, https://www.verywellmind.com/the-stress-of-social-comparison-4154076


Summerville, Amy (2019) Is Comparison Really the Thief of Joy?, in Psychology Today,

Thompson, Nicholas. 2019. Tristan Harris: Tech Is ‘Downgrading Humans.’ It’s Time to Fight Back

https://www.wired.com/story/tristan-harris-tech-is-downgrading-humans-time-to-fight-back/

Tiffany, Kaitlyn. 2019. How to quit Facebook without quitting Facebook



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